Warum Klimaschützer in der Herbstsession dem Ständerat genau auf die Finger schauen werden

Warum Klimaschützer in der Herbstsession dem Ständerat genau auf die Finger schauen werden

Erschienen am: 06.09.2022

Nach dem Nein des Volkes zum CO2-Gesetzes letztes Jahr erhöht die Gletscher-Initiative den Druck auf die Politik, griffige Klimaschutz-Massnahmen zu beschliessen. Mehr als 100‘000 Stimmberechtigte fordern bis 2050 den schrittweisen Ausstieg aus fossilen Energieträgern. Ein Gegenvorschlag zur Initiative liesse sich schneller realisieren. Doch die Initianten wollen das Volksbegehren nur zurückziehen, wenn griffige Instrumente zur CO2-Reduktion beschlossen werden.

Die Schweiz tut sich schwer mit dem Klimaschutz, aber auch mit der Umsetzung einer Wende hin zu mehr erneuerbaren Energien. Zwar hat der Bundesrat vor drei Jahren mit dem Klimaziel 2050 beschlossen, dass die Schweiz bis dahin nicht mehr Treibhausgase ausstossen soll, als natürliche und technische Speicher aufnehmen können. Das Netto-Null-Ziel hat die Schweizer Regierung dann letztes Jahr im direkten Gegenentwurf zur Gletscher Initiative bekräftigt. Zuvor war es zu einem Rückschlag gekommen. Der Reihe nach.

Feuerwehrübung muss CO2-Gesetz retten

Das CO2-Gesetz, das alle zehn Jahre überarbeitet wird, ist das wichtigste Instrument der Schweizer Klimapolitik. Zur Erinnerung: Das CO2-Gesetz trat am 1. Mai 2000 als Bundesgesetz über die Reduktion der CO2-Emissionen in Kraft. Es wurde im Jahr 2011 sowie aufgrund des Übereinkommens von Paris 2016 erneut teilrevidiert.

2019 wurde das Gesetz einer Totalrevision unterzogen, damit das Gesetz den Ansprüchen des Netto-Null-Ziels des Bundesrats genügte. In der eidgenössischen Abstimmung vom 13. Juni 2021 sagten jedoch 51.6% der Bevölkerung Nein zum revidierten Gesetz. Das Referendums-Komitee hatte eine einfache, aber effektive Argumentation ins Spiel gebracht: Mit dem CO2-Gesetz werde Heizen und Autofahren massiv verteuert. Diesem Argument folgte eine knappe Mehrheit der Stimmenden. Der Schiffbruch, den die Befürworter von griffigen Klimaschutz-Massnahmen - darunter auch POW - erlitten, war total.

Dass die Schweiz irgendeine Regelung in Sachen CO2-Reduktion brauchte, war aber selbst den Gegnern klar. Und darum wurde das geltende CO2-Gesetz vom Parlament in der Wintersession 2021 in grösster Eile bis Ende 2024 verlängert.

Politische Realitäten machen Bundesrat mutlos

Für die Zeit ab 2025 schlug der Bundesrat in aller Eile eine neue Gesetzesvorlage vor. Die Vernehmlassung zum neuen Klima-Massnahmenpaket für den Zeitraum 2025-2030 lief bis April 2022. Umweltkreise beklagten den fehlenden Mut des Bundesrats, dessen neuer Entwurf weder die offiziellen Klimaziele der Schweiz für 2030 noch die wesentlich ehrgeizigeren Ziele erreicht, die notwendig sind, um einen angemessenen Beitrag zum globalen 1,5° C Grad-Ziel zu leisten.

Laut Entwurf sollen die Treibhausgasemissionen in Einklang mit dem Pariser Abkommen bis 2030 halbiert werden. Bei der Emissionsminderung wird ein Inland-Ausland-Verhältnis von 60:40 angestrebt. Doch das ganze Massnahmenpaket beruhte auf der Annahme, dass ein grosser Teil der Reduktionen durch Kompensationen im Ausland erfolgen würde - jedoch wurde deren Finanzierung im Gesetz nicht geregelt.

Um eine zweite Niederlage an der Urne zu vermeiden, wurde die Einführung zusätzlicher Abgaben in den Bereichen Verkehr und Luftfahrt fallen gelassen. Hingegen wurden Förderungen für synthetische Treibstoffe und den Aufbau der Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität vorgesehen. Zudem soll das kantonale Gebäudeprogramm mehr Gelder erhalten, jedoch fehlt bspw. ein Verbot von fossil betriebenen Heizungsanlagen in Neubauten, obwohl mehrere Kantone ein solches ab 2022 eingeführt haben oder über konkrete Vorlagen befinden.

Gletscher-Initiative hält Druck für effektive Massnahmen hoch

Die Organisationen, die einen effektiven Klimaschutz fordern, halten aber noch einen besonderen Chip im Polit-Pokern in ihren Händen: Die Gletscher-Initiative. Das Volksbegehren, von mehr als 100‘000 Stimmberechtigten unterschrieben, fordert bis 2050 den schrittweisen Ausstieg aus fossilen Energieträgern. Und sie hat gute Chancen an der Urne. Dies stellt die Schweizer Politik vor ein Problem.

Der Bundesrat hat am 11. August 2021 die Botschaft für den direkten Gegenentwurf zur Initiative verabschiedet. Der Gegenentwurf bestätigt das Netto-Null-Ziel, verzichtet jedoch auf ein Verbot fossiler Energieträger.

Zusätzlich zum direkten Gegenentwurf des Bundesrats von 2021, hat die Umweltkommission des Nationalrats (UREK-N) im April 2022 einen indirekten Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative vorgeschlagen. Das sogenannte «Klimarahmengesetz» enthält das Netto-Null-Ziel, einen verbindlichen Absenkpfad für die Treibhausgasemissionen sowie Massnahmen im Heizungs- und Gebäudebereich.

Ein indirekter Gegenvorschlag auf Gesetzesstufe würde Hand bieten für eine raschere Umsetzung als eine Verfassungsänderung, wie sie beim direkten Gegenvorschlag und der Initiative vorgesehen ist. Angesichts der Dringlichkeit spricht sich der Verein Klimaschutz Schweiz für einen indirekten Gegenvorschlag aus, sofern dieser ausreichend hohe Ziele und wirksame Massnahmen vorsieht.

Ständerat hat es in der Hand

In der Herbstsession wird nun der indirekte Gegenentwurf zur Gletscher-Initiative behandelt: Nachdem der Nationalrat im Sommer das Konzept erstmals behandelt und abgeschlossen hatte, war seitens des Initiativkomitees die Erleichterung über einen relativ ambitionierten Gesetzesentwurf spürbar. Doch die Umweltkommission des Ständerats machte den Initianten einen Strich durch die Rechnung: wichtige Massnahmen im Gebäudebereich wurden gekürzt.

Für Spannung ist gesorgt: Am 15. September wird der Ständerat zum ersten Mal über den indirekten Gegenvorschlag beraten, einige Tage danach ist schon wieder der Nationalrat am Zug, um etwaige Differenzen zu bereinigen. Erklärtes Ziel ist, dass die beiden Räte ihre Differenzen bereinigen und den Gesetzesentwurf bis Ende September unter Dach und Fach bringen.

Wir bleiben dran und berichten während der Herbstsession laufend!