
«Zu akzeptieren, nicht perfekt zu sein, ist ein unglaublich wertvoller Prozess!»
Im neuen Film «L’Envol», realisiert von Nicolas Falquet, stellt sich die Schweizer Kletterin Katherine Choong einer der schwierigsten Mehrseillängenrouten des Landes. Eine ideale Gelegenheit für die POW-Botschafterin, ihre Sicht auf das Klettern und ihr persönliches Engagement neu zu reflektieren.
550 Meter hoch, 20 Seillängen, Schwierigkeitsgrad bis 8c. Das ist der Steckbrief von «Fly», einer ikonischen Route im Lauterbrunnental. «Wenn du ins Dorf Lauterbrunnen kommst, ist das das Erste, was du links siehst, diese riesige, glatte, überwältigende Wand», erzählt Kletterin und POW-Botschafterin Katherine Choong. «2021 war ich auf der Suche nach einer anderen Herausforderung. Ich wollte lernen, wollte wieder die sein, die entdeckt und ganz am Anfang steht. Mit meinem Partner Jim haben wir uns dann ganz natürlich den Mehrseillängenrouten zugewandt.» Ein neues Abenteuer, das sich als deutlich komplexer herausstellte, als «nur» Expressschlingen einzuhängen und zum Standplatz zu gelangen. «Wir haben schnell gemerkt, dass wir wirklich auf einer Wellenlänge sein müssen. An einer Wand mit mehreren hundert Metern Höhe hast du keine Wahl, du musst einander helfen, dich auch ohne Worte verstehen. Das ist nicht leicht … aber unglaublich schön! Und es hat dem Klettern, wie ich es bisher kannte und praktizierte, eine ganz neue Dimension gegeben.»
Zwei Jahre lang sammelte Katherine in aller Ruhe Erfahrungen auf verschiedenen Mehrseillängenrouten, in der Schweiz und darüber hinaus, bis ihr schliesslich «Fly» ins Auge fiel. «Ich wusste, dass es hart wird, aber ich wollte mir diese Herausforderung stellen. Etwas richtig Grosses wagen, auch wenn ich keineswegs sicher war, ob ich es schaffen würde.» Begeistert von der Idee, den Prozess filmisch zu dokumentieren, inklusive der Dynamik zwischen ihr und Jim während des Projekts, stieg Regisseur Nicolas Falquet mit ein. «Ich hatte bereits bei mehreren Projekten mit ihm gearbeitet und wusste, dass sein Talent, sein Zugang und seine Sensibilität genau zu dem passen, was ich zeigen wollte», erklärt Katherine Choong.
Mit dem Velo … zur Erstbegehung
Das Ergebnis ist eine 26-minütige Dokumentation mit dem Titel «L’Envol», die derzeit auf verschiedenen Berg- und Kletterfilmfestivals in Europa und weltweit gezeigt wird. «Ich will natürlich nicht das Ende verraten», lacht Katherine, «aber ich kann sagen, dass mir dieses ganze Abenteuer mit Jim und Nico an der Wand geholfen hat, zu akzeptieren, dass es extrem bereichernd sein kann, nicht perfekt zu sein und nicht immer erfolgreich.»
Diese Erkenntnis steht in enger Verbindung mit dem POW-Ansatz der «imperfect advocacy» und schlägt eine natürliche Brücke zwischen Katherines sportlichen Aktivitäten, ihren persönlichen Überzeugungen und ihrem gesellschaftlichen Engagement. «Leistungssport kann sehr egozentrisch sein, weil man vieles dem Ziel des Erfolgs unterordnet. Umso wichtiger ist es für mich, mich für Anliegen einzusetzen, die mir wirklich am Herzen liegen, wie bei POW.»
Ein aktuelles Beispiel dafür ist Katherines jüngster Erfolg: die erste weibliche Begehung von Zahir im Jahr 2024 - eine Meter lange Route im Berner Oberland mit einem Schwierigkeitsgrad von 8b+. Gemeinsam mit Eline Le Ménestrel entschied sie sich für die «écopoint»-Methode. Dabei verlässt man sich ausschließlich auf die eigene Muskelkraft, sowohl für den Hin- als auch für den Rückweg. «Von zu Hause mit dem Velo loszufahren, um Zahir zu versuchen, das war ursprünglich Elines Idee, aber ich habe es wirklich geliebt. Natürlich macht das alles schwieriger, aber es verleiht dem Projekt auch eine ganz andere Bedeutung, inspirierend und voll im Einklang mit meinem persönlichen Engagement!»
📸 Cedric Lachat